VWL studiert - was jetzt ? / Gap-Year regt zum Denken an! -
Hi!
erstmal bitte keine Häme / Gehässigkeit / Bösartigkeiten - Ich weiß selber, dass man über meine Situation "blöde" Kommentar verlieren könnte. Aber nun gut, ich leg mal los:
Ich bin 24 Jahre alt und habe jüngst meinen Bachelor in VWL an der Universität zu Köln mit einer 1,9 abgeschlossen. Ich gehöre noch zu dem Jahrgang der 13 Jahre in die Schule gegangen ist und erst mit Ende 19/ Anfang 20 an die Hochschule gegangen ist.
Nach der Schule war mir eigentlich nicht so richtig klar, was ich machen will, außer dass ich studieren möchte. Ich war immer sehr gut in Mathe, konnte aber auch Deutsch und Englisch gut. Ich entschloss mich dann damals per Ausschließungsverfahren für VWL. Jura wollte ich nicht, Arzt will ich auch nicht sein, Lehrer auch nicht und BWL war mir zu trocken.
VWL erschien mir als cool. - Das war der BWLer nur mit mehr mathematischem Können wurde mir gesagt. Außerdem ging es hier um makroökonomische Theorien. Fand ich super spannend!
Ich habe dann 8 Semester lang VWL studiert. - bin im ersten und zweiten Semester teilweiße durch Prüfungen gerasselt und hatte erst nach ner Zeit gelernt wie man "richtig" studiert. Nun ja hab mich dann gesammelt und kam auf meine 1.9!
Während meines Studiums habe ich durchgängig gearbeitet: In der LanxessArena als Würstchen-Dreher, in einem Supermarkt als Lagerarbeiter und schließlich 2 1/2 Jahre in einem bekannten deutschen Turnschuhladen!
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Ich habe einmal ein Praktikum in den Semesterferien gemacht, das in etwa in die Richtung geht, die ich studiert habe. Ich habe 3 Monate bei einer Finanzberatung hospitiert.
War total schrecklich! Da saßen nur Typen im Anzug, teilweiße Studienabbrecher oder gescheiterte Lehrer/ Sportstudenten, die jetzt doch nochmal die große Kohle machen wollten! Haben die auch gemacht! - Die haben alle eigentlich dicke Autos gefahren und haben alle so um ihre 3000-4000 Euro rausgehauen. Alle Anfang 30. Aber es ging eigentlich immer nur darum, wer die meiste Kohle schöffelt und wer in der Disko mit seiner Golduhr die besseren Schnecken abschleppt.
In meinen letzten zwei Wochen im Praktikum bin ich dann nicht mehr gegangen. Ganz ganz komisches Buisness! Ganz komische Welt!
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Ansonsten war ich immer sehr beschäftigt mit Prüfungen schreiben und arbeiten gehen, sodass ich nach der Erfahrung in der Versichungswelt kein weiteres Praktikum mehr gemacht habe.
In meiner Gedankenwelt war ich dann immer sehr leichtsinnig. Ich studiere jetzt mal und danach dreht sich die Welt erst weiter und ich schaue, was ich dann mache.
Im Nachhinein denk ich "WOW, wie konntest du so blöde sein!!!!" - aber je mehr ich hier in dem Forum lese, sehe ich, dass es super super vielen anderen Absolventen genau so geht. Studieren studieren studieren und dann mal gucken. Also ich bin wohl definitiv nicht der einzige! (Was aber die Situation nicht besser macht)
2015 war ich 10 Wochen lang backpacking in Togo und Ghana. War ne super Erfahrung! Da kam mir dann auch die Idee mit der Tätigkeit in der Entwicklungszusammenarbeit. Ich hatte irgendwie einen Sinn gefunden meine analytischen Fähigkeiten, die ich im Studium mir angeeignet habe, sinnvoll später für eine Sache, die mich brennend interessiert, einzusetzen!
Nun habe ich 2016 Oktober mein Studium abgeschlossen. 1,9. Ich bin damit mehr als zufrieden, nachdem ich am Anfang des Studiums zu abgeschmiert bin. Seitdem renne ich auf viele Infoveranstaltungen - "Master and More Messen" "Career-Tuesdays" "Jobmessen" "Tag der offenen Tür von Universitäten" und so weiter.
Ich war auch letzten Monat in Berlin im Auswärtigen Amt, wo sich große Nicht Regierungsorganisationen, wie die United Nations, die Weltbank und die Europäische Union vorgestellt haben. Ich muss sagen: Seit der Messe ist mir der Wunsch international zu arbeiten ein wenig vergangen. Überall heißt es nur "Wir brauchen die besten! Sie müssen das , das , das ,das und das können! Sie müssen Auslandserfahrung haben,sie müssen 4 Sprachen können, sie müssen einen Doktortitel haben" - Sie müssen, Sie müssen und sie müssen.
Und alle prahlen mit ihren unmenschlichen Bewerbungsverfahren: Bei der Europäischen Union bewerben sich jährlich 40.000 Bewerber auf deren Karrierelaufbahn. Jedes Jahr werden von 40.000 Bewerber 50 ausgewählt. Im Auswärtigen Amt bewerben sich 20.000 Bewerber auf 18 Plätze pro Jahr!
- Das sind alles Zahlen, die sind abartig! - Da denkt man sich, wenn man von so einer Veranstaltung kommt! "Einen scheiß muss ich, ich muss gar nix" Und dann kommt dazu, dass die Gehälter in der Entwicklungszusammenarbeit im Vgl. mit der Freienwirtschaft sehr sehr bescheiden sind. Da komm ich zum Ergebnis, dass obwohl ich wohltätig sein möchte, dann doch lieber in der "freien Wirtschaft" mich versuche und mich privat weiter engagiere.
Irgendwie ist es so als ob ein ganz großen Kartenhaus gerade in sich zusammenfällt. Ich habe mir mein "Gap Year" zwischen Master und Bachelor ganz anders vorgestellt. Ich habe gerade echt eine ganz große "Schaffenskrise".
Auf der anderen Seite bin ich froh, dass es jetzt bei mir mit 24 so ist. Ich habe mich angefangen mit vielen Leuten zu unterhalten und in die "hineinzuhorchen". Wow, wie viele einfach mal studieren und dann gucken was kommt. Da denkt man sich nur "Was???"
Eines meiner Problem ist, dass meine "Jobrealität" die gleiche ist, wie die eines Hauptschülers. Ich meine ich war Würstchen Umdreher in der Kölnarena, ich habe Kisten im Supermarkt verräumt und momentan verkaufe ich Schuhe. Ich kann eigentlich gar nix!
Mein 2 Jahre älterer Bruder ist Polizist. Meine 16 Jahre ältere Schwester ist Zahnärztin. Die sind schon "da"!
Ich habe auch jetzt mit 25 mir gedacht alles zu schmeißen und auch zur Polizei zu gehen. Da verdient man ja ganz gut. Mein Bruder verdient mit 27 Jahren 2300 Euro Netto! Und wenn der irgendwann mal 20 Jahre im Dienst ist landet der auch bei seinen 4300 Euro Netto! Ist schon ganz viel ! (finde ich) Allerdings fährt der auch die ganze Zeit im Winter Nachtdienst und musste letztes Wochenende mit einer Maschinenpistole in Köln Sülz auf eine Tür halten, weil ein Mann damit gedroht hat, jemanden zu erschießen, wenn er in seine Wohnung betritt.
(Nicht so ganz witzig)
Gibt bei der Polizei wohl auch 'ne große Kehrseite der Medaillie - und ich wüsste nicht ob mich das auf Dauer glücklich machen würde. Außerdem würde das bedeuten, dass ich ein lebenlang an NRW bzw. an ganz Deutschland gebunden bin und nie ins Ausland gehen kann. Es sei denn, ich würde das irgendwann auch wieder schmeißen. Außerdem wird man in der Univeristät ja so sozialisiert, dass man alles hinterfragen sollte. Wenn ich meinen Bruder sehe, dann sehe ich einen Ausführer. Er redet immer von "Gehorsamkeit" und blindes Ausführen. Ich glaube aber an die Macht der Bildung. Ich war immer stolz darauf zu studieren und mich weiter zu bilden. Dem würde ich damit ein Ende setzen.
Ich glaube mein größtes Problem ist diese Unwissenheit: Was kommt später auf mich zu? Was mache ich eigentlich genau später?
Ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen 24/7 an einem Computer zu hocken. Klar weiß ich, dass man um Schreibtisch arbeit nicht drumherum kommt... aber den ganzen Tag von 8-18 Uhr am Schreibtisch 5x die Woche. Wow! Das wär schon arg hart und das würde ich sicherlich irgendwann schmeißen.
Ich habe aber auch keinen blassen Schimmer was es bedeutet Controller/ Consultant/ Vorstandsvorsitzender/ Wirtschaftsprüfer usw. zu sein. Ich hätte keinen blasen Schimmer was die alle machen. Alles was ich habe ist einen 1,9er Abschluss. Meine Realität ist die Ausführung einer Arbeit, die auch ein Hauptschüler machen kann.
Mich macht das total fertig.
Meine Freunde und Familie raten mir einfach jetzt mal irgendwo ein längeres Praktikum zu starten und den Master im September zu beginnnen. Ich muss sagen- Den Ehrgeiz, den Master zu machen, den hab ich. Ich habe kein Problem damit jetzt nochmal 2 Jahre fleißig zu lernen.
Ein guter Freund meinte "Mach doch jetzt erstmal den Master. Ob du danach KFZ Mechaniker wirst oder Busfahrer ist doch egal. Aber mach doch den Master"
Ich weiß gerade nicht mehr so Recht wohin mit mir. Ich habe wirklich das Gefühl, dass mein Abschluss völlig wertlos ist. Aber irgendwie innerlich sagt mir etwas, dass es da draußen irgendwo nen Job gibt, der mich glücklich machen wird.
Was könnt ihr mir raten?
lg Martin
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