Zu der Frage mit dem 450-Euro-Job: Ich kenne bestimmt 40 Steuerfachkräfte aus unterschiedlichen Kanzleien und davon arbeitet eine einzige auf dieser Basis. Und das ist eine Mutter mit 15 Jahren Berufserfahrung. Minijobs sind völlig unüblich für Steuerfachkräfte in Kanzleien (genauso wie Zeitarbeit).
Der Haken ist einfach der, dass es nicht attraktiv für deinen Chef ist, wenn du nur 10 Stunden pro Woche kommst:
-
Er muss extra für dich einen Arbeitsplatz inkl. Software-Lizenz bereithalten
-
Du bist eine Person mehr, die er kontrollieren muss, ob sie seinen vielen einzelnen Anweisungen folgt (wie buche ich, wie lege ich ab, wie gehe ich mit Fristen um etc.)
-
Du kannst dann z. B. auch nicht im Bereich Kanzleiorganisation eingesetzt werden, da du ja oft nicht da bist. In dem Bereich werden aber gerne fachlich noch nicht so gute, aber billige Mitarbeiter eingesetzt.
- Es besteht die Gefahr, dass Kollegen Arbeiten für dich miterledigen müssen, da in Abwesenheit etwas passiert, das nicht warten kann. Selbst wenn es warten kann, muss jemand extra für dich den Anruf annehmen, Notizen schreiben: Wer hat angerufen, was wollte er, bis wann musss es erledigt sein etc.
Bei meinem aktuellen Arbeitgeber gibt es in Tax (wie haben noch andere Bereiche) keine einzige 450-Euro-Kraft und nur ganz wenige Teilzeitkräfte, aber die sind dann auch mit 35h angesetzt. Also eigentlich auch nicht wirklich Teilzeit.
Teilzeit und Minijob ist in Tax bei Chefs so beliebt wie Fußpilz!
Wenn du dich in Vollzeit bewirbst, hast du also schon die besten Chancen.
Zu dem Thema, dass sich Bürokaufleute für etwas Besseres halten: Es kann schon sein, dass die Lehrer an der Berufsschule solche Dinge sagen. Die Lehrer sagen dort aus pädagogischen Gründen immer etwas positives über den Beruf, den ihre Schüler lernen. Auch als Steuerfach-Azubi wird man in der Berufsschule indoktriniert und es wird einem vorgelabert, wie modern und zukunftssicher der Job doch ist. Was ja auch im Grunde Quatsch ist.
Schade ist es nur, wenn man für Bürokaufleute keine anderen Argumente "zur Motivationssteigerung" findet, als andere Berufsbilder schlecht zu machen. Naja, ist deren Problem.
Es stimmt allerdings, dass es sehr, sehr einfach ist, einen Ausbildungsplatz zum Steuerfachangestellten zu bekommen. Die kleinen Büros und Kanzleien veranstalten da ja keine Assessment-Center oder so. Eine halbe Stunde beim Chef genügt schon und man bekommt mindestens mal angeboten, für ein paar Tage hineinschnuppern zu dürfen. Wer den Ausbildungsplatz danach noch will, erhält ihn in der Regel. Da muss man sich als Bürokaufmann gerade bei bekannteren Unternehmen sicher einem viel selektiveren Bewerbungsverfahren unterziehen. Aber nur weil das Auswahlverfahren härter ist, heißt das nicht, dass der Job am Ende der bessere / anspruchsvollere ist. Die Steuerfachkraft hat viele Möglichkeiten vom Bilanzbuchhalter bis zum Steuerberater.
Bürokaufleute gibt es wie Sand am Meer. Mein aktueller Arbeitgeber sucht auch immer mal wieder welche für das Sekretariat. Und ich bin immer wieder erstaunt, wie viele Lebensläufe die scheinbar durchschauen, Vorstellungsgespräche führen etc. Da werden dann die Leute bis ins Detail und auch sehr subjektiv bewertet.
Wer dagegen Steuerfachkraft ist, hat bei uns wenig Konkurrenz, wenn er sich bewirbt. Die Chance bei uns eine Stelle zu kriegen, auch wenn es kein 100% fit ist, ist viel, viel höher.
antworten