Ich bin selbst von Bain zu BCG gewechselt, weil Bain mir im (Corporate) Healthcare zu schwach war. Ich war mehrere Jahre bei Bain, habe die Firma aber aus diesem, für mich entscheidenden Grund, verlassen. Insofern traue ich mir einen realistischen, kritischen Blick auf Bain zu.
Was stimmt: Bain bietet in DACH leider immer noch kein vollständiges Beratungsportfolio an. Die relevanteste Lücke sehe ich dabei, wie schon geschrieben, im Healthcare- und insbesondere im Pharma-Bereich. Warum Bain dort keinen Fuß in die Tür bekommt kann ich nur mutmaßen - meine Spekulationen hierzu möchte ich nicht in einem öffentlichen Forum posten.
Die Behauptung, dass Bain in der klassischen Industrie keine Rolle spielt, kann ich so nicht teilen. "AMS" ist der stärkste Vektor. Vielleicht liegt das daran, dass in DE nur einer der großen Automobilkonzerne bedient wird, und viel Arbeit in der klassischen Industrie in einem PE-Setting stattfindet, d.h. dass die Funds, die Bain davor bei der Übernahme beraten hat, nun auch für die "Value Creation" Bain beauftragen. Dadurch ist die Sichtbarkeit gegenüber anderen Beratungsfirmen vielleicht nicht immer gegeben. Außerdem spielt vielleicht mit rein, dass Bains Marktanteil in den letzten Jahren stark gestiegen ist, und viele hier im Forum eher die Sicht von 2017-18 widergeben.
Im FS ist Bain sehr stark, aber das will sowohl bei Bain als auch bei BCG kaum jemand machen, weil die Sustainability einfach unterirdisch ist.
PEG ist der Sweet Spot bei Bain, Bain ist dort mit großem Abstand Marktführer. Relativ geregelte Arbeitszeiten und ab der mittleren Ebene auch ein höheres Gehalt, weil einem der Bain-eigene PE-"Fund of Funds" als Investionsmöglichkeit offensteht (hat nichts mit Bain Capital zu tun, ist ein Co-Investment in die Targets, die man DD'ed hat). Aber gerade in den ersten Jahren wird es sehr schnell sehr repetitiv. Man lernt sehr viel über die Märkte, die man sich anschaut, aber nach 1-2 Jahren will man eigentlich keine 10-15 Expert Calls die Woche mehr machen. Ab Manager/ Senior Manager wird das dann aber besser.
Die Posts zu FAANG oben halte ich für Getrolle. Ich kenne genug (Ex-)Bain-Kollegen, die für einen Experience Transfer in den USA waren, und da wurde auch FAANG beraten. Generell ist Bain in den USA eine etwas andere Hausnummer und eher auf einem Level mit BCG und McK, während die T2-Beratungen (vor allem RB! Das ist dort nicht einmal eine T2) weit abgeschlagen sind.
Ich denke insgesamt, dass Bain die perfekte Wahl ist, wenn man PE machen möchte (gibt gute Gründe dafür), auch eine sehr gute Wahl für FS (welcher Teufel einen da auch reiten mag) und eine gute Wahl für die meisten anderen Industrien. Für bestimmte Branchen (Pharma, aber z.B. auch Dinge wie Transport, wurde auch schon erwähnt, oder Public Sector) würde ich prinzipiell sogar die meisten T2-Beratungen Bain vorziehen (mit Vorbehalt, keine Ahnung zum Beispiel, was Kearney im Public Sector macht).
Zu guter Letzt: Dass Bain (noch) nicht bei allen großen Accounts vertreten ist, ist für aufsteigende junge Berater auch eine Chance. Ich bekomme bei meinem jetzigen Arbeitgeber mit, dass es da schon innerhalb der Partnerebene einiges an Gerangel gibt. Aber etwas Neues auf der grünen Wiese aufzubauen ist leider auch sehr schwer (deswegen bin ich am Ende gewechselt).
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