Lounge Gast schrieb:
Ich bin momentan auf Jobsuche (Master, BWL + Ausbildung
Industriekaufmann) und finde nichts.
Jedoch kommt auf ein für mein Profil passendes Stellenangebot
ca. 5 Angebote für eine normale Sachbearbeiterposition,
Voraussetzung: abgeschlossene kaufm. Ausbildung. [...]
D.h., ohne Studium wären meine Chancen schon mal allein was
die Anzahl der potentiellen Stellen angeht, 5-mal so hoch.
Von solchen Fällen habe ich schon ein paar Mal gehört - auch wenn oft in den Medien so getan wird, als ob ein Studium die tolle Absicherung gegen Arbeitslosigkeit sei. Ein ähnlicher Mythos wie das Märchen vom berühmten "Fachkräftemangel".
Das Traurige ist, daß man da als Ex-Uni-Student im Grunde komplett gekniffen ist: Beklagt man sich, daß man nix findet, dann heißt es: "Kleinere Brötchen backen und auf Sachbearbeiterjobs bewerben".
Tut man dies aber tatsächlich, fragen einen die Unternehmen, was man denn mit einem Uni-Abschluß auf so einer Stelle will und warum man sich nicht woanders bewirbt. Oder die Bewerbung wird direkt mit Absage-Formschreiben XY/0815 aussortiert - weil man davon ausgeht, daß man beim erstbesseren Angebot wieder weg ist oder aber weil die Firma denkt, daß der Bewerber irgendeinen furchtbaren Makel hat, wenn er nix besseres findet.
Ist im Grunde ähnlich wie bei Hartz-IV-Empfängern: Immer soll der Betroffene maximal flexibel sein, doch bei den Personalabteilungen wird der 100% passende Mitarbeiter gesucht.
Letztendlich kann es nicht sein, daß Leute so im Grunde verheizt werden und sich (wie im Falle des Threadstarters hier in der Diskussion bereits geschehen) dann auch noch anhören müssen, daß sie ja dem Steuerzahler angeblich so sehr auf der Tasche gelegen hätten.
Für ein Studium in D muß man nicht dankbar sein. Die Studienbedingungen sind mies genug und auch ohne Studiengebühren muß man als Student eine Menge an Kosten tragen (während Leute in Ausbildung oft schon Geld verdienen). Außerdem ist die Rechnung doch ganz einfach: Wenn ein Student später wirklich mal so toll verdient, dann verdienen Staat + Gesellschaft durch die höheren Steuerzahlungen des Betroffenen kräftig mit. Und wenn ein Student später sehr wenig oder gar nix verdient, dann war das Studium wohl nicht viel wert.
In quasi jedem Lebenlauf findet man irgendwas, woran man rummeckern kann. Ist die Note unterdurchschnittlich, gilt man als faul - ist die Note überdurchschnittlich, gilt man als der Superstreber. Und wenn sich alle supertoll anstrengen, sind die Noten zwar besser, aber dann heißt es, daß sie nichts mehr wert sind weil "jeder Depp" eine 1,0 schafft (überspitzt formuliert).
Außerdem: Irgendjemand ist immer unterdurchschnittlich - sonst könnte auch niemand überdurchschnittlich sein.
Und wenn der "akademische Ansturm" auf den Arbeitsmarkt nun auf einmal so groß ist, wie hier oft zu lesen ist, dann kann die Lösung nur sein, die Unis zurechtzuschrumpfen und den Zugang zum Studium wieder stärker zu reglementieren. Alles andere ist eine Vergeudung von Zeit, Geld + Energie.
Wie soll das denn bei der nächsten Generation werden, die von ihren "Helikopter-Eltern" schon im Kindergarten zum Englisch-Lernenetc. geschickt wird? Wo das Kind ein "Projekt" ist, das unbedingt zum Erfolg getrieben werden muß? Die werden sich in 10-20 Jahren nicht veralbern lassen, daß sie auf einmal nach Abi + Studium irgendeinen befristeten Billig-Job machen sollen, den in den 80er Jahren noch jemand mit Mittlerer Reife gemacht hätte. Da dürfte es dann Proteste geben - nicht nur von den Studenten, sondern auch von ihren Eltern (die bei den Helikopter-Kids inzwischen teilweise auch zu "Eltern-Abenden" an den Unis gehen und dergleichen)... das wird noch ein Spaß werden in den nächsten Jahren.
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