Einen Konflikt gibt es nicht, sondern lediglich nüchterne Zahlen. Noch vor knapp einem Jahrzehnt waren Abitur und Studium so schwer, dass nur eine Minderheit überhaupt studiert hat. Dass es da auch einige Leute gab, die sich durchgeschmuggelt habe, versteht sich auch. Ebenso, dass es immer schon Vitamin B gab. Ist aber heute auch so.
Das Gerücht, dass es keine Studienzeitbegrenzung gab, oder, dass man Prüfungen ewig schieben konnte, ist übrigens ein Forenmythos. Die gab es immer, aber am Anfang war es etwas lockerer. Nach der Wende wurden sie noch einmal deutlicher festgelegt und ab 2000 gab es ein ähnliches System wie beim Bachelor/Master. Das Bachelor/Master-System hat diesen Teil einfach nur übernommen.
Stoff und Intensität der Prüfungen waren früher deutlich schwerer, aber das dem neuen System vorzuwerfen, ist schwachsinn. Es war ja gerade das Ziel, leichtere Abschlüsse für die breite Masse zu generieren, um die duale Ausbildung abzulösen, die als deutscher Sonderweg galt und dafür den Bachelor als den beruflichen Erstausbildungsweg zu etablieren. Es ging nie um akademische Beweihräucherung, sondern um europäische Harmonisierung im Bildungswesen.
Und wie ist es heute wirklich aus? Aus Sicht der Diplomer: Heute ist alles so leicht, dass eine deutliche Mehrheit Abitur hat und studiert. Das Studium ist Massenware geworden. Der Bachelor sollte nie ein Studium sein, sondern eine Ersatzausbildung. Die Qualität ist kräftig runter , die Noten sind ohne Aussagekraft, weil sie alle gut sind, Der größte Teil der Arbeitgeber nimmt bei Traineeprogrammen gar keine Bachelors mehr.
Diese Sicht der Diplomer ist natürlich falsch, denn sie bewerten gerade den Bachelor als Studium. Das ist er aber gar nicht, sondern Ausbildungsersatz. Man müsste also die Bachelors rausnehmen und nur die Master vergleichen und von denen auch nur die, welche zu den Top-Studiengängen zählen und nicht zu den 5 Millionen Easy-Diversifikations-Studiengängen, die aus dem früheren "BWL" 30 Studiengänge gemacht haben, von denen 27 von allem Schweren (Mathe, Recht usw..) befreit wurden, damit auch wirklich jeder den Abschluss schafft.
In der Summe ist es kein Konflikt, sondern eine statistische Wahrheit, die aus unterschiedlicher Sicht interpretiert werden kann.
Und was das Diplom betrifft. Natürlich gibt es das noch. Die Leute sind ja nicht alle gestorben. Ja, das Diplom hat man auf die Visitenkarte, weil das Wort für die einzigartige Qualität eines deutschen Abschlusses stand und weltweit respektiert wurde.
Ob man dagegen einen Abschluss, wie den Bachelor, denn in naher Zukunft mindestens jeder zweite in der Bevölkerung haben wird, aufdrucken muss, weiß ich nicht. Das erinnert ein wenig an die "Fortbilder" von früher, die den "Betriebswirt" bei der IHK gemacht haben, aber auf ihre Karten dann "Diplom-Betriebswirt" geschrieben haben, damit ihr Schrott wie ein echtes Studium wirkt.
Letztendlich ist es aber jedem selbst überlassen.
WiWi Gast schrieb am 10.10.2018:
Was ich niemals verstehen werde: Warum ist hier dieser tiefe Graben zwischen Diplom und Bachelor/Master entstanden?
Die einen erzählen, dass sie die Elite waren und ihr Titel deshalb Gold wert wäre, die anderen, dass das gemütliches Abhängen im Vergleich zum eigenen Studium gewesen wäre. Beides ist nicht falsch aber auch nicht richtig.
Was aber definitiv richtig ist: Es gibt kein Diplom mehr und der Stolz darauf ist Nostalgie.
Die akribische Verbissenheit und Titelgeilheit ist mir ebenso unbegreiflich. Bei uns ist es so, dass sich die Herren Drs. (kein Genderfauxpas!) selbst mit "Vorname Nachname" vorstellen und auch in eigenen E-Mail-Signaturen von diesem Titel freimachen.
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