WiWi Gast schrieb am 03.07.2021:
Ich würde es auch eher als Beweis sehen, dass derjenige bereit ist sich an Konventionen zu halten, auch wenn sie für ihn persönlich unangenehm sind. Und das ist eine Fähigkeit die ich hoch anrechne, vor allem weil sie in den letzten Jahren immer weniger vertreten ist.
Bei den ganzen Diskussionen hört man immer mehr das Wort ich und immer seltener die allgemeinheit. Weil ich lieber im Tshirt rumlaufe, soll die Gesellschaft mich nicht nach meinen Klamotten beurteilen. Weil ich keine Lust auf Praktika neben dem Studium habe, sollen sie nicht mehr so wichtig sein. Weil ich so bin wie ich bin, soll ich mich nirgendwo anpassen müssen, etc.
Wenn ich jemanden einstelle, suche ich aber wen, der die Bedürfnisse der Firma, der Gemeinschaft, über seine eigenen stellt. Der übertriebenen gesprochen auch mal bereit ist für die Firma zu leiden. Und nicht jemanden, dem sein persönliches Wohl am wichtigsten ist, und der nur im Sinne der Firma handelt, wenn das zufällig mit seinen persönlichen Interessen übereinstimmt.
Das mache ich natürlich nicht nur an der Kleidung im Vorstellungsgespräch fest. Aber sie gibt da einen ersten Hinweis.
Für einen Kritiker der Ich-bezogenen Einstellung sind erstaunlich viele ich's in deinem Post.
Man kann von einem AN verlangen, dass er auch mal für die Firma leidet. Aber es ist eine absolut selbstverständliche Erwartung an die Firma und die direkte Führungskraft, dass sie versuchen, dieses Leid zu minimieren und dass eine gewisse Grenze des Leids nicht überschritten wird.
Dabei muss man sich auch klar machen, dass ein Vorstellungsgespräch keine Einbahnstraße ist. Der AG stellt sich genauso vor wie der AN.
Bei einer gleichwertigen Alternative will kaum jemand für eine Firma oder Führungskraft arbeiten, die bei 35 Grad nur deswegen eine Krawatte verlangen, weil es hübscher aussieht. So eine Firma kriegt bei gleicher Bezahlung nur die Nulpen. Für die guten Leute muss ein sehr hohes Maß an Schmerzensgeld draufgelegt werden.
Meiner Ansicht nach musst du deine persönliche Vorlieben zum Wohl der Firma mal hintenan stellen. Es ist für die Firm nicht wichtig, was du als stilvoll empfindest. Du solltest dich da eher an den allgemein akzeptierten Regeln orientieren.
Ich verlange von niemandem Krawatte zu tragen, ich meinte nur, dass man damit bei mir im Vorstellungsgespräch Pluspunkte sammelt, da es dem Anlass angemessen ist.
Nachher im Job kann sie ruhig weggelassen werden. Ich lehne auch niemanden ab, nur weil er ohne Sakko zum Vorstellungsgespräch kommt. Aber der sammelt Minuspunkte.
Zum Glück sind wir ein begehrter Konzern, der eher über zu viele als zu wenige Bewerber klagen kann. Das macht die Vorstellung zwar immer noch nicht zu einer Einbahnstraße, aber falls mal jemand ablehnt, was ich zumindest noch nie erlebt habe, stehen genug in der Schlange.
Und was deinen Punkt mit den allgemeinen akzeptierten Regeln angibt: Die gibt es nicht mehr, das ist ja genau das Problem warum wir hier so viel diskutieren. Früher war es einfach, da hieß Vorstellungsgespräch Anzug und Krawatte. Für so ziemlich jede Stelle. Mag nicht jedem gefallen haben, aber jeder wusste wo er dran ist. Heute gibt es keine festen Regeln mehr. Das sieht man hier ja auch gut. Dem einen ist es egal, der andere will unbedingt Anzug mit Krawatte, der nächst will bloß keine Krawatte. Keiner weiß mehr wo er dran ist, und gerade Bewerber sind verunsichert und haben Angst in Fettnäpfchen zu treten.
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