Diese Sichtweise ist sehr naiv und erkenntlich infantil. Du scheinst noch sehr jung zu sein. Daher sehe ich kein Problem in der Einstellung. Gerne teile ich meine Erfahrungen mit dir:
Ich habe selbst auf sehr guten Universitäten, mit sehr guten Noten und sehr guten Praktika studiert. Darüber hinaus sei jedoch gesagt, dass ich mich selbst nicht (mehr) als Karrierist sehe und definitiv nicht zu den smartesten und besten Absolventen/-innen meines Jahrgangs gehörte. Dieser Teil meiner Kommilitonen & ebenfalls Einsteiger bei T1BB(MS/GS/JPM) oder MBB(MCK,B,BCG) waren am Ende zurecht diejenigen, die sich am wenigsten damit brüsteten.
In der Freizeit geht es bis heute nur sekundär um den Beruf und es wird eher weniger über Geld gesprochen. Wenn es um den Beruf geht, dann in einer selbstironischen Art und Weise. Natürlich gibt es auch dort die A****löcher, die an ihre exzessive Egozentrik gefesselt sind, aber die Regel ist das nie gewesen.
Die Leute mit ähnlicher Einstellung wie der deinen, waren eher die zweite-dritte Reihe, die es nie nach ganz oben geschafft haben. Also eigentlich genau nicht die "Ganz oder gar nicht" Kollegen, sondern die "Ich bin bei BNP und deswegen geiler als alles unter mir aber fühle mich aufgrund von GS-Leuten wieder nur wie ein unsicheres Würstchen".. Gierig lenkten sie jedes Gespräch auf den Job, fragten dauernd im Kreis, wie es so bei den T1 ist und es ging eigentlich nur ums Geld.
Ich selbst bin bei einer der MBB eingestiegen und habe zwei Jahre meines Lebens sehr, sehr viel gearbeitet. Ich stand vor dem EduLeave, habe eine Zusage für eine Ivy gehabt und mich letzten Endes gegen all das entschieden. Warum? Man ist nicht ausschließlich HiPo, wenn man jede Woche 70h arbeitet und sich nur mit Titeln schmückt. Das Ganze macht zu einem großen Teil Spaß, man hat ein dynamisches Umfeld und fühlt sich irgendwo auch sehr toll, da man sich innerhalb einer (Pseudo-) Elite bewegt.
Die Kehrseite ist aber die persönliche Entwicklung und auch irgendwo eine andere Form der Zufriedenheit - keine bessere. Ich habe viele ehemalige Wegbegleiter aus Bachelor und Master- aber auch Berufszeiten, die sich für was anderes entschieden haben. Die sind direkt nach dem Studium zu einem Konzern, einer Big4 oder einem Mittelständler gegangen und haben dort ihren Weg gemacht. Sind das Low-Performer? Mitnichten! Viele arbeiten trotzdem über 40 Stunden - jedoch nicht >70- und machen Karriere. Wieder andere arbeiten zwar weniger aber dafür unheimlich intensiv: Ein Mathematiker aus dem Freundeskreis ist Modellentwickler in einer Versicherung und arbeitet wirklich EFFEKTIVE 8 Stunden am Tag an seinen Simulationen für das Underwriting. Ein anderer Kollege ist in der F&E bei Daimler - auch er hat seinen Tarif aber arbeitet auf einem sehr hohen Niveau mit hoher Intensität. Sind das Lowperformer? Mitnichten!
Wieder ein anderer ist einfach nur in der Linie im Controlling bei einem größeren Mittelständler. Er hat früh geheiratet und bekommt jetzt sein zweites Kind. Geht unter der Woche auch mal abends zum Fußball-Training und kann seinen Sohn in den Kindergarten fahren. Er ist damit zufrieden und hat sich für den regionalen Weg entschieden. Ist er deswegen ein Lowperformer? Mitnichten!
Diese Leute haben alle aber eins gemeinsam: Eine andere - nicht unbedingt bessere!- Zufriedenheit und mehr Ausgeglichenheit. Wenn man einen großen Teil seines sehr viel arbeitet, geht dafür nun mal vieles verloren. Natürlich entwickelt man sich im beruflichen Kontext, der CV glänzt und man fühlt sich vielleicht nicht wie Mittelmaß. Man hat aber immer Opportunitätskosten. Sei es in Bezug auf das wahre soziale Umfeld oder die persönliche Entwicklung. Es ist nahezu unbezahlbar, mit seinen Kindheitsfreunden um die Ecke auch spontan ein Bier trinken zu können oder abends ohne Druck einem Hobby nachzugehen. Unsere Wiwi-Gesellschaft drängt einen dazu, seinen Horizont permanent globalisiert zu erweitern. Kein Stillstand, nur Bewegung. Das ist auch gar nichts schlimmes und für viele Menschen der richtige Weg. Es gibt aber auch andere Wege, die nicht automatisch schlechter oder besser sind.
Und am Ende stehe ich, der sich nach >2 Jahren MBB dafür entschieden hat, sich verbeamten zu lassen und die Frau seiner Träume nach 7 Jahren zu heiraten. Ich arbeite durch ein kleines Nebenprojekt immer noch etwas mehr in der Woche aber bin abends Zuhause. Beste Entscheidung meines Lebens.
Long story short: Bereue ich daher meinen bisherigen Weg? Nein, würde ich wohl am Ende immer wieder so machen. Allerdings würde ich mir niemals erlauben, andere in HiPos oder LowPos aufgrund ihrer Bildungsinstitution, ihres Arbeitgebers oder ihrer augenscheinlichen Arbeitszeit einzuteilen. Es gibt so viele Faktoren, die man berücksichtigen muss und so viele Wege, die man einschlagen kann. Am Ende gibt es kein schwarz oder weiß.
Guten Wochenstart! Ich gehe jetzt erst mal zum Lunch. Mit Berater-"Effizienz" kann man sich das Leben im Ministerium nämlich sehr gut selbst gestalten.
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