Lounge Gast schrieb:
Toll, freut mich, dass es bei dir so toll lief. Leider habe
ich keinen 1,0 Schnitt, aber noch besser als 2,0. Deshalb
reisen sich die Leute auch nicht so um mich.
Noch toller ist, wenn man wieder sieht, wie der Filz
funktioniert. Wenn der Vater die Prof-Referenzen stellt, dann
ist alles gefilzt.
Mein Schnitt war 2,2 und mit Filz hatte das wenig zu tun. Weder bin ich mit dem Prof. verwandt noch gab es irgendwelche Bekanntschaften. Von dem 4 Jahre zurückliegenden Seminar und den (anonymen massen)Vorlesungen kannte er mich jedenfalls nicht persönlich. Vielmehr hatte das mit etwas zu tun, was den meisten in der schönen-neuen-Zertifikate-Welt irgendwie suspekt vorkommt: Urteilsvermögen.
Ganz subjektiv, nicht nachprüfbar, nicht objektivierbar und ohne, dass es irgendwo zu rechtfertigen wäre hat der Prof in seiner Weisheit ohne demokratische Kontrolle (uhhh) und ohne herrschaftsfreien Diskurs mit Vollversammlung halt nach dem Gespräch gedacht, dass ich von dem, was ich so erzählt habe (Forschungsinteresen, Sicht auf die Ökonomik als Wissenschaft, Interessen allgemein, Motivation) zum Lehrstuhl passe bzw. dass ein gerade ausgeschriebenes Stipendium, dessen Gelder er mit aufgetrieben hat, ja passen würde und schlug mir das also vor. Ich musste mich trotzdem formal darauf bewerben, aber ja, es stimmt, dass ich genommen wurde war Formsache, weil eben jener Prof. das entscheidende Wort über die Vergabe zu sprechen hatte und denjenigen, der das Stipendium bekommen sollte, auch betreuen musste.
Ist das Filz?
Wenn man sich ansieht, dass seit jeher alle Mitarbeiter und Doktoranden bei ihm ein gewisser Menschenschlag was Interessen, Ansichten und Vorstellungen angeht waren und sind und dazu nimmt, dass die Doktoranden meist zügig fertig werden und mit der speziellen Form von Betreuung sehr gut klar kamen, dann komme ich zu dem Schluss, dass gerade bei dieser sehr besonderen Konstellation/ Beziehung Doktorand/Doktorvater die Auswahl nach Nase einer Auswahl nach Noten deutlich überlegen ist.
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Die Message von meinem Post sollte nicht sein: Schaut mal wie toll es bei mir lief und wie geil ich bin. Die Message war mehr: Es gibt das Verfahren "automatisiertes Empfehlungsschreiben", das sehr anonym ist und im Wesentlichen nach Note geht und es gibt auch die Einstellung, dass sich Profs ansehen und selbst einschätzen wollen, wem sie da als Person ein Empfehlungsschreiben geben sollen und ob der Typ ihrer Ansicht nach für das, was er vor hat, geeignet ist. Dabei lassen die sich dann selten beeindrucken von "ich hab aber eine 1,0 mit Sternchen" und kaum abschrecken von "das ist aber nur eine 2,4 im Abschluss".
Insofern sollte es auch Leuten, die was vor haben und ein Projekt angehen wollen, aber nicht die megatollen Noten haben und keine tollen Zertifikate und Abschlüsse von Elite-Gedöns-Unis Mut machen, einfach mal das Gespräch zu suchen.
Ich finde Profs, die ihren Job noch ernst nehmen, was Betreuung angeht und die lange genug dabei sind, wissen, dass die Korrelation zwischen Abschlussnote und erfolgreicher Promotion kaum gegeben ist. Erstens, weil sie das Notenbusiness kennen und also wissen, dass Noten schon lange aussagelos sind (okay 1,0 und 3,0 vielleicht. Aber 1,6 und 2,4?!) Zweitens, weil es beim Promovieren auf ganz andere Skills ankommt, als jene, die beim Klausurenschreiben notwendig sind.
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Offtopic:
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Mag ja sein, dass ich aus der Zeit gefallen bin, aber ich beobachte diese seltsame Verschiebung auch bei der Vergabe von Auslandssemestern. Seit Bologna wird das bei uns alles nach Note gemacht und nur nach Note. Bei Notengleichheit dann TOEFEL oder Ähnliches und dann vllt Motivationsschreiben. Vollkommen ohne Ansehung der Person.
Vor 10 Jahren war die Note erst mal scheiß egal. Man hat sich an der Uni die Zeit für ein Bewerbungsgespräch mit den Kandidaten genommen. Und ja, das war viel Aufwand. Aber Aufwand war damals noch kein Grund ihn zu scheuen und einen schlechten Job zu machen. Das Gespräch wurde dann teilweise mal auf Landessprache geführt und es wurde halt mal versucht herauszufinden, was das eigentlich für ein Mensch ist, der da ins Ausland will. Ob er das Land kennt, was er sonst so treibt, ob er sich das gut überlegt hat, etc pp. Note? Who cares.
Und dann hat das Gremium, das das Gespräch führte (Studi, der in den Vorjahren mal den Platz hatte, ein oder zwei Profs von denen einer (so verfügbar) die Landessprache konnte und ein wenig Erfahrung mit dem Land hatte und die Auslandsorga-Tante aus der Verwaltung) entschieden, wer es wird.
Klar ist das viel subjektiver und weniger nachvollziehbar, als "der hat einen Schnitt der 0,143 Notenpunkte besser ist", aber dem Ziel jemanden ins Ausland zu schicken, der das aus den richtigen Gründen will und die richtige Einstellung mitbringt, ist es meiner Ansicht nach deutlich zuträglicher. Man muss halt ein wenig Vertrauen darauf haben, dass die Leute, die das entscheiden das nicht willkürlich machen, sondern sich auch in der Pflicht sehen gute Entscheidungen zu treffen.
Warum macht man es heute nicht mehr so? Weil es angesichts der zunehmenden Massenveranstaltung im Bachelor schlicht zu viel Zeit kostet und sich die Profs, ähnlich der Betreuung von Bachelorarbeiten, denken "was soll ich mich mit diesen Pseudoakademikern rumschlagen, ich hab besseres vor." Also macht man es pseudo-objektiv und geht halt nur nach Noten.
Es ist einerseits traurig, dass die Profs. resigniert haben, aber andererseits auch verständlich.
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