"Mir geht es ehrlich gesagt ähnlich und das ist ein Punkt, der mich auch immer mehr anödet. Ich komme eigentlich aus einem stark musisch geprägten Umfeld, wahrscheinlich die Hälfte meiner Bekannten ist beruflich darin tätig und hat meist auch Musik studiert. Und solchen Kreisen ist es viel üblicher, über den Tellerrand zu schauen, sich mit Kultur, gesellschaftlichen Entwicklungen, etc. zu beschäftigen. Wenn ich das mit meinen Kollegen vergleiche, die formal vielleicht sogar das höherwertigere Studium haben, dann kann ich nur sagen, da liegen teils Welten dazwischen."
Zunächst mal ist die Frage, ob der Kollegenkreis überhaupt der richtige Kreis für solche Themen ist. Es gibt viele Menschen, die bei der Arbeit nur ihre Arbeit machen wollen und keine Freunde suchen. Vielleicht sind sie mit ihren Gedanken ja auch wirklich ganz woanders. Intellektuelle Themen sind anstrengend und sie lassen sich auch nicht immer in 2 Minuten stressfrei abschließen.
Gerade Menschen in etwas höherem Lebensalter haben die "intellektuellen" Fragestellungen auch längst hinter sich gelassen, mit denen sich mancher Berufseinsteiger noch herumplagt. "Macht das hier alles eigentlich einen Sinn?" "Habe ich den richtigen Beruf gewählt?" "Ist der Kapitalismus ein System mit Zukunft"? So einen Unsinn kannst Du mit niemandem besprechen, der jenseits der 40 ist.
Das liegt auch daran, dass man sich nach einigen Jahren mit den Rahmenbedingungen des eigenen Lebens arrangiert und gewisse Fakten einfach akzeptiert, die man als junger Mensch vielleicht noch hinterfragt. Wer Familie hat, ein Haus gebaut hat und die Tilgung abträgt, der beschäftigt sich während der Arbeit nicht mit der Frage, ob der Kapitalismus noch Zukunft hat, ob er den richtigen Beruf hat und ob er sein Leben nochmal völlig umkrempeln soll. Sondern mit der Frage, wohin der nächste Urlaub geht und ob die neue Heizung bis zum Winter eingebaut sein wird. Mit steigendem Lebensalter hat man meistens auch einen gewissen beruflichen Status und berufliche Zufriedenheit erreicht und weiß, dass das Gras auf der anderen Seite des Zauns immer grüner ist.
Diese steigende Zufriedenheit als mangelnde Intellektualität zu deuten, ist recht engstirnig. Wenn man ein Nischeninteresse verfolgt, muss man sich für dieses Nischeninteresse Gleichgesinnte suchen. Das geht dem Sportpiloten, dem Apnoetaucher, dem Harley-Fahrer und dem Wagnerianer aber genauso. Unter Kollegen finden diese Fans meistens keine Mehrheiten. Zu allem kommt dann noch dazu, dass Menschen mit kleinen Kindern schlicht wenig Zeit haben, um ihre Hobbys auszuüben. Da stehen plötzlich die Schulprobleme der Kinder im Vordergrund.
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