Dass Kleinunternehmer einen geprüften Abschluss brauchen, wäre mir echt neu. Die reichen bei ihrer Hausbank ihren Einkommensteuerbescheid ein und den vom Steuerberater erstellten und unterschriebenen Abschluss. Die Bank interessiert sich hier eigentlich nur für die Einahmen und Ausgaben. Denn Betriebsvermögen, das ein WP prüfen könnte, haben solche Kleinunternehmen sowieso nicht in wesentlichem Umfang. Kleinunternehmer machen machen oft nicht mal eine gescheite Inventur.
Dass es einige wenige fachlich spezialisierte Steuerkanzleien gibt (z. B. für Umsatzsteuer), ist zwar richtig. Allerdings funktioniert das mit der Mandatsvermittlung nicht so, wie du das darstellst. Als junger Steuerberater wirst du niemals von etablierten Kollegen irgendwelche Aufträge kriegen. Auch langfristig sehe ich da wenig Möglichkeiten, sich unter Kollegen als "Spezialist" zu etablieren, außer man ist Volljurist.
Die realistische Chance sehe ich für BWLer nicht in der fachlichen Spezialisierung, sondern in der Konzentration auf bestimmte Mandantengruppen. Der Unique-Selling-Point der Kanzlei ist dann nicht, dass man fachlich etwas weiß, dass andere nicht (theoretisch auch) wissen können, sondern dass man bereit ist, sein Angebot auf eine bestimmte Gruppe von Mandanten auszurichten, die sich bei anderen Steuerberatern nicht gut aufgehoben fühlt. Und das fängt nicht mit Kontakten in die Steuerberatungsbranche hinein an, sondern in andere Branchen. Zuallererst braucht man Mandanten!
Übrigens das mit den auf Ärzten spezialisieren Kanzleien finde ich in dieser Diskussion ein schlechtes Beispiel. Dass Kanzleien vor allem Ärzte betreuen, liegt nicht daran, dass man für Heilberufe ein umfangreiches Spezialwissen braucht, sondern dass Steuerberater meist von Mandanten an weitere Mandanten weiterempfohlen werden. Wer also schon einige Ärzte als Mandanten hat, bekommt oft durch solche Empfehlungen weitere dazu. Wenn jetzt allerdings eine solche Kanzlei eine ganz andere Anfrage kriegt, sagen wir mal für eine Solaranlagen KG, und diese Kanzlei noch nie Solar gemacht hat, dann wird der Steuerberater ganz sicher nicht ehrlich sagen, dass er sich nicht auskennt und das Mandat an einen Kollegen weiterleiten, der schon einige Solaranlagen betreut. Nein, die Auslastung der eigenen Kanzlei ist viel wichtiger und selbst wenn gar keine Kapazitäten mehr vorhanden sind, werden die Mandanten halt lange hingehalten. Kein Steuerberater würde hier auf die Umsätze verzichten. Steuerberater-Kollegen sind deshalb überhaupt keine Quelle für neue Mandate, wenn man die normale Steuerkanzlei betrachtet und von den wenigen von Juristen gegründeten Boutiquen absieht.
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