Ich lebe seit knapp 4 Jahren in Brasilien (Umland Sao Paulo) und hier meine Gedanken dazu:
Wenn du bereits an einer Brasilianischen Uni warst (ich nehme an die USP) dann hast du da ja schon einen kleinen Einblick.
Für einen Direkteinstieg in Brasilien muss das Portugiesisch recht gut sein und du musst dich auf dem hiesigen Markt auskennen. Das "Problem" ist, dass auch Brasilien gute ausgebildete Fachkräfte hat, die alle arbeitswillig sind und auf der Suche nach einem guten Job sind. Vor allem der Ersteinstieg ist superhart, ich würde behaupten härter als in D.
Das Lohnniveau ist sehr ernüchternd, vor allem als Einsteiger wird wenig bezahlt. Auch mit einem vermeidlichen "Top-Profil", hier gibt es keinen so ausgeprägten "Fachkräftemangel", zumindest nicht im Allerweltsbereich.
Ich denke der Bereich von 2500-4000 R$ für den Anfang ist realistisch, im Süden bissi mehr als in der Mitte (in den Norden würde ich gar nciht gehen). Das kann dann schon nach oben gehen, aber nicht schnell. Zum alleine Leben ist das schon grenzwertig und die Meisten kommen damit durch, weil man im Familienverbund lebt.
Ich habe über meine Freundin etwas Einblick in den Markt und sie hat einen Master von der USP und hatte keinen Job gefunden, den man anständig bezahlt hätte. Sie ist jetzt selbstständig, arbeitet gefühlt >60h die Woche, macht aber auch >10k R$ und das ist ne Menge für nen Brasilianer.
Freunde von ihr, beide Anwälte und haben einen der begehrten staatlichen Jobs ergattert, beide Anfang 30, verdienen so rund 6-7000R$ bei 36h und das ist guter Mittelstand.
Hands-Up: Im Finanze-Bereich kenne ich niemand, vielleicht ist da alles anders. Aber wenn du da einsteigen willst, dann bleibt eh nur Sao Paulo.
WENN man ziemlich fit in einem spezialisierten Gebiet ist, Spanisch und Englisch spricht und für eine große Firma in einer Schlüsselposition arbeitet, dann kann auch mehr als in D verdient werden, denn diese Leute sind dann wieder seltener. Aber ich kenne da nur einen (Leitender Ingenieur in der Datenanalyse von großen Gasturbinen, der sucht Personal weltweit und muss den Geldbeutel weit aufmachen um jemand nach BRA zu bekommen)
Expat-Bubble: Brasilien ist nicht Shanghai oder gar Singapur. Außerdem kann man sowas ja auch selbst beeinflussen. Ich kenne hier aktuell keinen anderen Expat und ich bin auch nicht scharf drauf.
Brasilianer sind nett und kommunikativ und kommt schnell zusammen. Mach dir da keine Sorgen. Das kann nen Momen dauern, aber man kann auch dort Freunde finden.
Lebensstandard: Ich fürchte, du wirst mit deinem Einkommen nicht zur oberen Mittelschicht gehören und Autos sind ähnlich teuer wie in D. Wenn man das ganze als Abenteuer verbucht und seinen Lebensstandard etwas absenken kann, dann wird man in BR eine gute Zeit haben.
Ich denke als Berufseinsteiger in BR ist so schnell kein eigenes Auto oder Personal drinnen. Ist meines Erachtens aber auch nicht notwendig. IdR gibts vom Arbeitgeber einen Zuschuss zu den Fahrtkosten und wenn man nur ein 1,5 Zimmer Appartment hat, dann bekommt man das auch selbst gesaugt.
Ich denke, du wirst in der Zeit dort keine Rücklagen bilden können, das packen die Brasis nicht, warum solltest du das packen? Das könnte sogar ein "Zuschussgeschäft" werden, weil man sich ja ab und an was gönnen möchte.
Gespartes und Rücklagen gehen für Trips oder Urlaube im Land drauf (bzw. sollten drauf gehen), es währe sträflich, wenn man in Brasilien ist und nicht das Land erkundet!
Summa-Summarum: Ich kann dir dazu nur raten, Brasilien ist ein tolles Land und die Leute sind klasse, ich habe sie sehr gerne. Die Landschaft ist gigantisch und man kann unglaublich viel machen/erleben. Sowohl im kleinen (irgendwo ist immer irgendein "Festival"/Party/Aktion/... ) oder per Wochenendtrip und die Brasis sind einfach sehr lebensfroh.
Freunde und ggf. Freundin findest du im Handumdrehen, das ist kein Thema, das Leben ist sehr lebenswert.
ABER ich denke beruflich wird das eher härter als in D, das Gehalt ist niedrig, die Kaufkraft geringer als in D (zwar ist es etwas günstiger bei nicht-konsum-Güter, aber man verdient halt wenig) und die Chefs können ganz schön "speziell" sein. Die sind meist nett, aber sie haben IMMER recht, egal was in irgendwelchen Handbüchern, etc. steht. Das ist sehr stark hierarchisch abgegrenzt. Für uns Deutsche nicht immer leicht.
Ich fürchte auch, dass der "Deutschen-Bonus" im Job weniger wert ist, als man sich wünscht. Englisch (und Deutsch schon 10mal nicht) ist kein wirkliches Alleinstellungsmerkmal. Der Chef kann kein Englisch (wie sonst kaum einer) und deswegen ist das auch kein Einstellungskriterium. Übrigends auch kaum in Deutschen Firmen, Volkswagen in Brasilien hat wenig mit einem Deutschen Unternehmen zu tun, das sind alles Brasis dort, die verhalten sich wie Brasis und Business wird halt wie in Brasilien gemacht.
Mercedes das Gleiche und die meisten anderen auch.
Der Weg als Expat nach Brasilien ist da schon deutlich lukrativer, ABER der Bedarf an Expats für Brasilien ist hinreichend gering. Einfach weil die selbst brauchbare Fachkräfte haben. Das ist weder USA, Indien oder China.
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