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Berufs- & Studienwahl Studienwahl

Studien- und Berufswahl: Interview mit Ulrike Flach (MdB)

Mit Ulrike Flach, Vorsitzende des Ausschusses für Bildung und Forschung im Bundestag, sprach Martin Hellwig über zentrale Themen der Studienwahl und Berufswahl.

FDP-Bundestagsfraktion Ulrike Flach MdB

Was spricht heutzutage für und oder gegen ein Studium?
Jeder, der gut ausgebildet ist, hat bessere Chancen als diejenigen, die schon sehr früh mit der Bildung aufhören. Das sagen uns alle Umfragen und Statistiken. Wer etwas in dieser Gesellschaft werden möchte, sollte nach wie vor versuchen, ein Studium anzugehen.

Wie sieht es mit der finanziellen Ausstattung der Hochschulen aus?
Wir haben zwei Probleme, nämlich ein Finanz- und ein Strukturproblem. Zum Finanzproblem: Wir haben zwar momentan wieder einen steigenden Etat im Bundesbildungsbereich. Dennoch reichen diese zarten Steigerungen von 15%, die der Bundesbildungshaushalt verzeichnet, nicht. Wenn wir im OECD-Schnitt mithalten wollen, müssen wir deutlich - und zwar im Milliardenbereich - investieren. Da stellt sich sofort die Frage, wie man das finanzieren will. Das geht aus der Sicht meiner Partei (FDP, Anm. d. Red.) nur durch einen zielgerichteten Abbau des Subventionsabbau und dazu natürlich weiteren Steigerungen des Etats. Das muss man den Leuten auch so offen sagen. Anders geht es nicht. Zaubern können wir leider alle nicht.

Das Strukturproblem fängt schon da an, dass sich die Universitäten ihre Studenten nicht selber aussuchen können, jedenfalls nicht in dem Maße, wie das sein müsste. Dann hätten Hochschulen auch die Chance, Studenten abzuweisen, die eigentlich gar nicht erfolgsorientiert an der Uni arbeiten wollen.

Umgekehrt haben die Studenten auch eigentlich keine Marktmacht. Sie werden irgendwohin verteilt oder versuchen, sich an entlegeneren Unis einen Platz zu ergattern. Wenn man den Studenten eine Art Bildungsgutschein in die Hand gäbe, hätten sie natürlich auch eine richtige Marktmacht. Dann müssten sich die Universitäten bewegen.

Bild: FPD-Bundestagsfraktion Ulrike Flach

Was kann man der Argumentation entgegenhalten, dass durch diese Auswahlverfahren eine Zweiklassenbildung und die Schaffung elitärer Bildungseinrichtungen erfolgt?
Wir brauchen natürlich eine Absicherung, dass nicht sozial Schwache durch den Rost fallen. Aus diesem Grunde sagen wir ja, der Staat soll sein Geld gleichmäßig in Form von Schecks verteilen, dann hat jeder die gleiche Marktmacht. Die Eingangsprüfungen sind ja weniger davon abhängig, ob ich aus einem weniger oder mehr begüterten Hause komme, da hängt es eben nur davon ab, ob ich geeignet bin oder nicht. Es muss natürlich sichergestellt werden, dass nicht eine soziale Auswahl erfolgt.

Ihre Partei plädiert ja durchweg für mehr Selbstverantwortung. Zum Thema Nebenjob: Können Sie Studienanfänger ermutigen, den Job als Chance zu begreifen und sich nicht vom BAföG abhängig zu machen oder sich zu beklagen, falls BAföG nur in geringer Höhe oder gar nicht gezahlt wird?
Ich plädiere immer dafür, dass Unternehmen und Uni sehr eng zusammenarbeiten. Ich bin auch ein begeisterter Anhänger der Berufsakademie, weil wir dort die Möglichkeit haben, die Leute direkt an die Praxis heranzuführen. Zudem haben die Unternehmen die Chance, auf den Lehrplan der Universitäten etwas einzuwirken. Damit wird das Studium auch ein bisschen realitätsnäher. Es ist ja auch häufig zu theoriebelastet, was wir an den Universitäten lehren. Ich kann nur jedem Studenten raten, sich nicht in den Semesterferien nur nach Jamaika zu begeben, sondern - genau wie es auch Generationen vorher getan haben - zu versuchen, in den Unternehmen einen Job zu finden.

Apropos Jamaika. Wie sieht es mit einem Auslandstudium aus? Ist das eine Option, die jeder Wirtschaftstudent mal in Erwägung ziehen sollte? Sowohl im Hinblick auf die Karriere als auch für die Persönlichkeitsentwicklung?
In den meisten Studiengängen, vor allem auch VWL und BWL, kommt man heutzutage nicht mehr ohne Fremdsprachenkenntnisse aus. In all diesen Bereichen ist die Welt außerhalb Deutschlands interessant und eine Bereicherung, auch eine geistige. Ich plädiere sehr dafür, das zu tun. Es gibt ja auch viele Angebote seitens der Uni, auch im Austauschverfahren, das zu ermöglichen.


Wie beurteilen Sie den boomenden Bereich Online-Studium?
Die virtuelle Hochschule ist bei uns noch viel zu sehr in den Kinderschuhen. Es ist ja - wenn man es mal ganz ehrlich sagt - nur die Fern-Uni Hagen, die ein annehmbares Angebot hat. Überall gibt es Online-Varianten, aber nicht wie in Amerika die Möglichkeit, sich nur im Online-Betrieb zu bewegen. Unser Vorschlag ist, dies an einer Uni in Deutschland ohne viel Präsenz auszuprobieren, weil ich damit ja auch den ganzen Weiterbildungsmarkt erreiche.

Was muss getan werden, damit Akademiker arbeitsmarktorientiert studieren?
Das Wichtigste ist natürlich, mit örtlichen Unternehmen zu sprechen. Dort ist das erste Signal. Wir haben auf Bundesebene zusammen mit den Ländern eine Art Frühwarnsystem installiert, das aber noch in den Kinderschuhen steckt. Wenn das richtig funktioniert, haben wir zumindest die Chance, Dinge rechtzeitig zu erfassen. Dann käme es nicht mehr zu diesen sogenannten Schweinezyklen.

Könnten Sie dieses Frühwarnsystem vielleicht ein wenig konkretisieren?
Das Frühwarnsystem heißt, dass man konsequent als Bund und Land mit den Arbeitsämtern bzw. den Unternehmensverbänden Kontakt hält und die Statistiken abgleicht. Damit nicht mehr das passiert, was Anfang der 90er eingetreten ist: Die Signale kamen zu spät von der Unternehmensseite. Erst brauchen wir ganz viele, dann brauchen wir wieder keine, dann wieder ganz viele Arbeitnehmer. Das geht aber nur, wenn ich in kontinuierlichem Kontakt bin. Das ist schwierig, das so zu installieren, dass  es auch richtig läuft - in meinen Augen aber die einzige Chance. Frühzeitig gilt es Trends zu erkennen, nicht wenn das Kind schon in den Brunnen gefallen ist.

Welche Kernkompetenzen / Schlüsselqualifikationen sind heutzutage unabhängig von der Teildisziplin im Wirtschaftsstudium relevant? Was würden Sie Studienanfängern bzw. Studenten raten, auch außerhalb des Studiums?
Neben Sprachkompetenzen ist es sicher die Teamfähigkeit, und ich würde auch jedem Studenten raten, die sozialen Kompetenzen zu schulen. Das kann man ja unterschiedlich machen. Einerseits, indem man in entsprechende Weiterbildungsinstitutionen geht, andererseits nutzen viel zu wenige die Möglichkeit, in Vereinen oder Verbänden tätig zu sein. Wer das in frühester Jugend schon praktiziert hat, hat ein ganz anderes Verhältnis zum Umgang mit Menschen.


Unser Slogan lautet: Schnell und leicht studieren. Das Thema Studiendauer polarisiert. Was können Sie dazu sagen? Es wird ja allgemein empfohlen, schnell zu studieren, es gibt aber auch Studierende, die sehr sinnvoll lange studieren.
Ich würde erst einmal jedem Abiturienten raten, genau zu prüfen, ob er überhaupt wissenschaftlich in seinem Leben arbeiten möchte. Die meisten werden zu der Erkenntnis kommen, das sie das gar nicht wollen. Dann könnte man raten: Guckt doch zuerst Richtung Fachhochschule und versucht dort, eine entsprechend praxisbezogene Ausbildung zu machen, und dann erst in die rein wissenschaftliche. Damit habe ich schon einmal die erfasst, die völlig falsch vor sich hinstudieren und dann irgendwann auch verloren gehen in den weiten Fluren. Das finde ich schon sehr wichtig.

Ansonsten wird es immer Studiengänge geben, die länger dauern, aber VWL und BWL könnten wesentlich straffer gefasst werden. Man sollte neben aller Qualifikation im Studium beachten, dass man irgendwann für Unternehmen nicht mehr so interessant bzw. einsetzbar erscheint. Da kommt man an die Realitäten des Marktes, die Unternehmen müssen uns auch einstellen und bezahlen. Ich würde per se keinem empfehlen, einfach zu sagen: Ich mache erst einmal ein breites Studium und dann gucke ich mal.