Erfahrungsbericht Auslandsstudium in Australien: Sydney 2
Hanno Beckert, Wirtschaftsstudent an der Uni Passau, absolvierte ein Postgraduate-Studium in der Ostküstenmetropole. - Zweiter Teil: Leben, Wohnen und Freizeit in Sydney
Sydney
Sydney als Stadt hat einen sehr hohen Freizeitwert. Die Lage am Port Jackson, der sich vom Pazifik aus weit ins Landesinnere verzweigt, führt dazu, dass die Stadt in einen Nord- und Südteil getrennt ist. Verbunden werden die beiden Hälften durch wenige Brücken, einen Tunnel und mehrere Fährverbindungen. Durch das viele Wasser in der Stadt und eine z.T. recht hügelige Geographie bekommt sie einen eigenen Charme, der sie von den anderen australischen Metropolen, in denen die Straßen vorwiegend schachbrettartig und flach verlaufen, unterscheidet. Ein daraus resultierender Nachteil ist, dass man meist nie den direkten Weg zwischen zwei Punkten A und B wählen kann, sondern immer einen Umweg in Kauf nehmen oder zumindest das Verkehrsmittel wechseln muss.
Klima
Das Klima ist so mild, dass man fast neun Monate im Jahr im Meer schwimmen gehen kann, einige Hartgesottene surfen (oder besser wellenreiten) auch das ganze Jahr über. Eine Vielzahl von Stränden (ca.15) entlang der Ostküste steht den Sydneysidern dazu zur Verfügung, angefangen über Palm Beach und Freshwater im Norden über die berühmteren Manly und Bondi bis hin zu Coogee und Maroubra im Süden.
Verkehr
Für den Alltag bietet sich als Verkehrsmittel der Bus an. Über 200 Buslinien bilden ein flächendeckendes Netz, über das man in alle Stadtteile gelangt. Allerdings sind die Busse keineswegs immer pünktlich und auch nicht besonders schnell. Als Faustregel gilt: Die 200er Linien bedienen vorwiegend den Norden, die 300er den Osten und die 400er den Westen. Drehkreuze für den Busverkehr sind der Busbahnhof in der Nähe des Hauptbahnhofs und der in der Nähe des historischen Stadtteils The Rocks. Einige Eisenbahnlinien, die entweder in Nord-Süd- oder Ost-West-Richtung (teils auch unterirdisch) verlaufen, ergänzen dieses Netz. Zum Flughafen fahren vom Hauptbahnhof ein Express-Bus (grün-gelb) und ein (erst Ende 2000 neu in Betrieb genommener) Zug, die aber beide zuschlagpflichtig sind (ein Weg ca 7-10 AUD). Die Stadterkundung sollte aber nicht nur auf dem Land erfolgen, sondern auch vom Wasser aus. Zentrale Anlegestelle für die beige-grünen Fähren ist Circular Quay. (Teilweise kann man mit den Wochenkarten für die Busse auch die Fähren mitbenutzen.)
Das Auto sollte man aufgrund des Parkplatzmangels und der z.T. unübersichtlichen Verkehrsführung besser nur für Ausflüge ins Umland oder aber zum Einkaufen in den größeren Shopping-Centern benutzen. So vermeidet man auch die auf den Stadtautobahnen erhobenen Gebühren. Ohnehin ist der Linksverkehr in den ersten Tagen sehr gewöhnungsbedürftig, auch als Fußgänger! Günstige Mietwagen bietet die lokale Autovermietung No Birds (William Street, Stadtteil Darlinghurst) an. Pro Tag wurden zu meiner Zeit ca 50 AUD für einen Mazda 323 in der einfachsten Ausführung fällig.
Einkaufen und Wohnen
Der Kurs des Australischen Dollars bewegte sich in den letzten Jahren um den Wert von DM 1,20 plus/minus 10 Prozent. Allgemein waren die Lebenshaltungskosten im Vergleich zu Deutschland leicht erhöht. Die Artikel in den Supermarktketten Coles und Franklins waren in der Mehrheit ca. 20 Prozent teurer. Einzelne deutliche Unterschiede ergaben sich beim Fleisch (oft deutlich billiger, z.T nur die Hälfte) und bei alkoholischen Getränken (i.d. R. 50 Prozent teurer).
Seit Januar 2001 ist allerdings Aldi in Australien am Markt, mit dem Ziel, die etablierten Supermärkte zu unterbieten. Es ist die Frage, ob das mittlerweile zu günstigeren Verbraucherpreisen geführt hat. Der Friseurbesuch war jedenfalls günstig, den billigsten Herren-Trockenhaarschnitt gab es für 6 Dollar.
Mieten
Das Mietniveau in Sydney ist mit dem deutscher Metropolen zu vergleichen. Das Wohnen ist hier von allen Städten in Australien am teuersten. Das mag teilweise auch daran liegen, dass im Vorfeld der Olympiade 2000 die Preise ordentlich angestiegen sind, allerdings glaube ich nicht, dass es hinterher wieder preiswerter wurde. Grundsätzlich steigen die Mieten, je weiter man nach Osten und ans Wasser kommt. Double Bay, North Sydney, Paddington, Bondi und die City sind sehr teuer. Dennoch gibt es auch dort Möglichkeiten, ein WG-Zimmer für ca. 100-150 AUD pro Woche (gezahlt wird nämlich wochenweise) anzumieten.
Der Wohnstandard ist durchschnittlich niedriger, was z.T. an der Bauweise der Häuser liegt: Leichtbauweise, selten Heizung und Keller, keine Schallisolierung oder Doppelverglasung, englische Traditionen wie Teppichboden fast überall (manchmal auch im Bad). Oft ist das Mobiliar auch alt, und man muss beim Einzug erst mal gründlich sauber machen und in besonders hartnäckigen Fällen auch schon mal den Kammerjäger verständigen.
In den Winter-Monaten Mai, Juni, Juli, August hilft man sich mit elektrischen Radiatoren oder einem Heizgebläse. Insgesamt kann man für Studiengebühren, Miete, einer Urlaubszeit von ca. 6 Wochen und einem ordentlichen studentischen Privatleben mit Gesamtausgaben von TDM 50 - 60 pro Jahr rechnen. Nach oben hin ist da natürlich noch viel Luft, nach unten etwas weniger.
Sightseeing
Die diversen Sehenswürdigkeiten der Stadt werden in den einschlägigen Reiseführern ausführlich besprochen, deshalb hier nur einige persönliche Tipps oder Anmerkungen zu einigen Sehenswürdigkeiten:
- Die Harbour-Bridge kann man auf mehrere Arten erleben. Entweder man fährt mit dem Auto darüber oder nimmt den Fußgängerweg, von dem aus es sich besser fotografiert. Eine weitere Alternative ist eine angeseilte Kletterpartie über die Bogenkonstruktion in luftiger Höhe. Oben ist das Fotografieren verboten, und die ganze Sache kostet mehr als 100 AUD - muss also jeder selbst wissen. Gerade als Gruppe ist bei gutem Wetter eine Reservierung von Vorteil.
- Die Oper als Wahrzeichen sieht von außen gewaltiger als von innen aus. Dennoch lohnt sich der Besuch einer der vielen Veranstaltungen, es muss nicht unbedingt eine Opernaufführung sein.
- Günstige Alternativen zu einem Besuch des AMP-Towers, von dem aus man für mehr als 22 AUD einen schönen Rundumblick über die Stadt hat, ist die Bar im obersten Stock des ANA-Hotels in der Nähe des Stadtteils The Rocks und die Horizon Bar in einem Hochhaus an der Darlinghurst Road im Vergnügungsviertel Kings Cross / Darlinghurst.
- Das Rugby-Spiel erfreut sich in Australien großer Beliebtheit. Spiele finden in Sydney seit der Fertigstellung des Olympiageländes im Stadium Australia statt. Um zwei Fliegen mit einer Klappe zu schlagen, kann man sich z.B. Karten für ein Ligaspiel am Abend kaufen und am Nachmittag zuvor die anderen Olympiastätten in Homebush Bay besichtigen. (Anreise am besten mit der Bahn)
- Cricket wird ebenfalls großgeschrieben; der Sydney Cricket Ground (SCG) an der ANZAC Parade ist hier das Nonplusultra. Für Anhänger des europäischen Fußballs finden Spiele im North Sydney Oval statt (etwa Regionalliganiveau)
- Ein nicht aus dem Alltag wegzudenkendes Ritual der Australier ist das sonntägliche Barbecue. In vielen Parks und an einigen Stränden stehen öffentliche Grills zur Verfügung, an denen sich die Großfamilien ab dem späten Vormittag bis zum Abend bei deftiger Kost und Bier für die Aufgaben der kommenden Woche stärken. Schöne Orte dafür sind der Centennial Park, der Strand von Coogee oder der kleine Shelly Beach im Stadtteil Manly. Am kultigsten ist allerdings ein Segeltrip durch den Hafen von Sydney mit einem Grill an Deck des Bootes.
- Vom Besuch des Löwenbräu-Hauses in The Rocks als einer typisch deutschen Attraktion rate ich ab, wenn man nicht auf Bedienung in Dirndl und Lederhose und horrende Bierpreise von 8 AUD und mehr steht. (Allerdings ist das Weizenbier frisch gezapft!)
- Gemütliche kleine Cafés und Lokale findet man entlang der Glebe Point Road im Stadtteil Glebe und in Newtown (etwas verwahrlost, aber trotzdem nett); die Stadtteile Balmain und Paddington kommen mit den Häusern im viktorianischen Stil sehr gediegen daher. Im letzteren gibt es auch sehr viele kleine Boutiquen und Galerien.
- Sehenswert sind in jedem Fall auch die Häuser entlang der Old South Head Road, die am Wasser entlang von der City nach Westen durch die vornehmen Stadtteile Rose Bay, Double Bay und Watson´s Bay führt. An ihrem Ende am südlichen Ufer der Hafeneinfahrt befindet sich das Ausflugsziel Doyle´s, wo sich alles um Fisch dreht. Es gibt einen Straßenverkauf, einen Pub mit Gastwirtschaft und ein gutes Fischrestaurant. Von allen hat man einen schönen Blick auf die Skyline und den Hafen, beste Tageszeit ist der späte Nachmittag, um von hier aus anschliessend den Sonnenuntergang zu beobachten.
- Frischen Fisch in rauen Mengen gibt es übrigens auch auf dem Fish Market im Stadtteil Pyrmont, gleich um die Ecke des Star City Casino-Komplexes.
- Wer zu Ostern in der Stadt ist, sollte auch einen Besuch des Randwick Racecourse, einer der größten und traditionsreichsten Pferderennbahnen, nicht verpassen. Neben einem Picknickkorb ist hier auch eine extravagante Kopfbedeckung gern gesehen. (Das Gelände war u.a. übrigens auch Schauplatz des Kinofilms Mission Impossible II.)
After Dark
Jetzt noch einige Adressen für ein abwechslungsreiches Programm nach Sonnenuntergang:
- George Street: Three Wise Monkeys & Bridie O´Reilly´s & Scruffy Murphy´s (alles Pubs), Marble Bar (Keller-Bar des Hilton, jeden Tag in der Woche Live-Musik, interessantes Interieur), Scubar (Hauskneipe des Sydney Youth Hostel schräg gegenüber vom Hauptbahnhof am südlichen Ende der George Street, Backpacker-Publikum)
- Oxford Street: Good Bar & Grand Pacific Blue Room (für die Schönen und Reichen), Paddington Inn & Fringe Bar (cool, relaxed, z.T. Live-DJs), Tantra und diverse andere Clubs nebenan und gegenüber (gute Musik, Zentrum der Schwulen- und Lesbenszene), The Albury Hotel (jeden Abend Travestie-Dance-Show, sehr lustig, aber auch touristisch)
- City allgemein: Forbes Hotel (Pub mit Disco-Floor), Shark Hotel (Billardtische und Haifischbecken), Establishment (Promi-Kneipe), Elephant Bar (am Kreisverkehr 5ways in Paddington, Sofas sorgen für Gemütlichkeit), Greenwood Hotel (North Sydney, Bar und Disco in einer alten Kirche), The Oaks (North Sydney, riesiger Pub mit Biergarten, Billardräumen und Steaks zum Selbergrillen)
- Coogee Beach: Palace & Coogee Bay Hotel (von Mittwoch bis Sonntag feiert sich hier das Strandvolk)
Auch die großen Pubs in Bondi sind jeden Abend voll. Ausflugsziele
Lohnende Ausflugsziele in der näheren Umgebung von Sydney (zumindest vor den Buschfeuern im Dez. 2001 / Jan. 2002):
- Mount-Ku-Ring-Gai Nationalpark, in dem man neben Bushwalking-Touren auch den Aussichtspunkt West Head und das Ausflugslokal Cottage Point (wird auch von Wasserflugzeugen von Rose Bay aus angeflogen) besuchen sollte; für Segler lohnt es sich auch, mit einem Boot die weitverzweigten fjordähnlichen Buchten und Flußläufe zu erkunden.
- Royal National Park, der älteste Nationalpark Australiens, von dessen Steilküste aus man zur richtigen Jahreszeit sehr gut Wale beobachten kann
- Blue Mountains, mit den Wentworth Falls, Three Sisters und anderen markanten Felsformationen
- Hunter Valley, eines der größten Weinanbaugebiete Australiens
- Port Stephens, ein weiterer natürlicher Hafen mit Meerzugang in der Nähe der Stadt Newcastle, ca 150 km nördlich von Sydney. Dort kann man fischen, segeln und eine große Dünenlandschaft besichtigen sowie Pelikane und Delphine beobachten.
Für ein verlängertes Bade-Wochenende bietet sich auch ein Ausflug nach Jervis Bay an, wo es ca. 200 km südlich von Sydney sehr feine weiße Strände gibt.
Fotos: Jens Locher