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AuslandsstudiumFrankreich

Auslandsstudium in Frankreich - Besançon

In Frankreich schreibt man sich in der Vorlesung die Finger wund. Entschädigt wird man dafür mit dem unnachahmlichen Savoir-vivre der Franzosen.

Auslandsstudium in Frankreich: Ankunft
An einem verregneten Septembertag kam ich auf dem Campus an und nahm mein Neun-Quadratmeter-Kämmerlein in Augenschein. Entsetzt war ich über die Duschkabinen und die Toiletten ohne Klobrille, die ich mir für die nächsten Monate mit ca. 20 Unbekannten teilen sollte. Am ersten Abend in meinem neuen Zimmer habe ich geweint. Nur noch einmal sollte ich in Besançon weinen, und zwar zu meinem Abschied - aus Trauer, dass eine schöne und lehrreiche Zeit so schnell zu Ende gegangen war.

Erster Tag in der Université de Franche-Comté: Ein wenig verwirrt saßen alle Erasmus-Studenten (etwa 20, aus Deutschland, Italien und Schweden) zusammen. Wir warteten auf Mme Lambert, die Koordinatorin für die Austauschstudenten, die uns während der ganzen Zeit herzlich und informativ betreut hat. Sie hieß uns willkommen und stellte mit uns die Stundenpläne zusammen, so lange, bis jeder wusste, was er zu tun hat, und bis alle Fächer und Räume bekannt waren. Von da an habe ich sie eigentlich nicht mehr aufsuchen müssen, weil die Professoren für allfällige Fragen mit Rat zur Seite standen.

Auslandsstudium in Frankreich: Studienalltag
Nicht ganz so offen sind übrigens die französischen Kommilitonen, die schon feste Freundschaften haben und nicht besonders daran interessiert sind, neue Bekanntschaften zu machen. Auch sind sie nur während der Woche in der Uni, die meisten wohnen in der Umgebung von Besançon und fahren übers Wochenende nach Hause. Mit der Zeit aber hat man sich vertraut gemacht, und schließlich waren sie auch bereit, Vorlesungsmitschriften auszuleihen.

In Besançon ist es nämlich so, dass die Vorlesungen diktiert werden! Somit schreibt man bis zu zehn DIN-A4-Seiten pro Vorlesung mit. Vielleicht ist dies eine Methode, die Studierenden dazu zu bringen, konzentriert zuzuhören, aber für uns Erasmus-Studenten war das schon harte Arbeit. Vor allem, weil man drei Dinge auf einmal bewältigen muss, nämlich zuhören, aufschreiben und verstehen, und das alles in einer fremden Sprache!

Ich gebe zu, zu Anfang schrieb ich Wörter auf, die es gar nicht gibt, aber auch das verbesserte sich rasch. Einmal fragte mich ein Kommilitone doch tatsächlich nach meinen Aufzeichnungen! (Ok, ich glaube, er wollte nur ins Gespräch kommen...) Die Studierenden werden in den Vorlesungen nicht sehr, um nicht zu sagen gar nicht, zur Eigeninitiative motiviert und aufgefordert. Sie hören zu, aber reden oder diskutieren nicht mit, wo das bei uns doch geschätzt wird. 

Ich belegte viele BWL-Kurse, dazu noch Soziologie aus Interesse und zusätzlich einen Sprachkurs an der Fakultät für Sprachwissenschaften. Dieser Kurs wird von Monsieur Bague gehalten und findet einmal die Woche statt. Kann ich jedem empfehlen! Am Ende legt man ein Examen ab, und man bekommt eine Endnote und ein Zertifikat. Die maximale Punktzahl, die man bei Prüfungen erreichen kann, ist 20. (Es ist möglich, wenn man sich ein wenig bemüht.)

Ich konnte mir vorher nicht vorstellen, dass ich nach nur einem Semester Prüfungen an einer französischen Universität ablegen würde, aber ich habe sie auch noch bestanden! Das ist wirklich ein tolles Erfolgserlebnis. Man kann sich die Prüfungen an der Heimathochschule anrechnen lassen. Insgesamt habe ich fünf BWL-Prüfungen abgelegt, für die ich auch credit points erhielt. Leider konnte ich mir die Fächer in Oldenburg nicht anrechnen lassen, denn dort habe ich im Hauptstudium ganz andere Schwerpunkte, u.a. Jura.

Auslandsstudium in Frankreich: C´est la vie...
Was einen Internetanschluss angeht, da habe ich weniger Gutes zu berichten. An der Uni gibt es nur wenige Computer, und für diese muss man sich auch noch vorher anmelden. Aber das wäre noch nicht das größte Problem: Auf dem Campus (im Wohnheim) muss man sich erst einmal an die Lebensbedingungen gewöhnen: Es gibt keinen Telefonanschluss, kein Fernsehen, geschweige denn Internet.

Dafür gibt es draußen recht viele Telefonzellen. Die meisten davon sind kaputt, sodass man im kalten Winter stundenlang warten kann, bis der oder die andere vor dir mit dem oder der Liebsten zu Ende spricht...
Das alles ist jedoch nur anfangs gewöhnungsbedürftig, denn wenn man neue Freunde gefunden hat (und das ist auf dem Campus überhaupt nicht schwer), vermisst man den Fernseher nicht mehr, sondern man legt viel Wert auf lange Unterhaltungen, um die anderen kennenzulernen.

Nie vorher in meinem Leben hatte ich die Gelegenheit, so vielen interessanten Menschen aus verschiedenen Ländern und verschiedenen Kulturen zu begegnen. Viele von ihnen sind nun meine Freunde, wir haben regen Kontakt, und es ist sicher, dass wir uns wiedersehen werden. Die meisten waren ebenfalls im Rahmen des Erasmus-Programms in Besac, so nennen die Einheimischen ihre Stadt.

Wie gesagt, es ist relativ schwer, Franzosen kennenzulernen, da die meisten nur unter der Woche auf dem Campus wohnen und am Wochenende nach Hause zu ihren Eltern fahren. So kam es, dass an den Weekends fast nur die Erasmus-Studenten blieben. Wir sind zu einer großen Familie zusammengewachsen, abends haben wir gemeinsam gekocht, wenn nötig, Probleme bewältigt. Denn es war für keinen leicht, in einem fremden Land auf sich selbst gestellt zu sein.

Obwohl viele Studierende aus Deutschland kamen, habe ich von Anfang an vermieden, viel Zeit mit ihnen zu verbringen, schließlich war ich dort, um die französische Sprache zu lernen. Ich bin mit Grundkenntnissen hingefahren, und nun kann ich sagen, dass ich die Sprache sehr gut beherrsche. Auch jetzt, da ich wieder zurück bin, bilde ich mich weiter, indem ich französische Bücher lese und französisches Fernsehen schaue.


Auslandsstudium in Frankreich: Nightlife
Für jeden Geschmack ist etwas dabei, ob man nun richtig französisch im Café am Straßenrand die Zeitung lesen, oder bei lautem, schrillem Techno im »Porte de l´enfer« (der »Höllenpforte«) abtanzen will, das ist jedem selbst überlassen. Im »Gibus« kann man  eher im englischen Stil ein Bier genießen, ich allerdings habe eher immer die kleinen französischen Bars geliebt, wo der Patron sich noch mit seinen Gästen unterhält.

Abschließend kann ich nur betonen, wie froh und dankbar ich für dieses Auslandssemester in Besac bin. Ich habe mein Französisch perfektioniert, ein anderes Lehrsystem an der Uni kennen gelernt, und die Erfahrung hat mir sicherlich auch zu mehr Selbständigkeit und Flexibilität verholfen. Jeder sollte die Möglichkeit nutzen, das zu erleben!

Zum Schluss noch ein paar Tipps:

Die Autorin
Petra Bardea studiert im 6. Semester BWL mit Jura-Schwerpunkt in Oldenburg.

Fotos: www.besancon.fr (mit freundlicher Genehmigung)