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Anlage, Aktien & VermögenLeitzins

EZB senkt Leitzins auf Rekordtief von fast Null

Der Zinssatz für die Hauptrefinanzierungsgeschäfte des Eurosystems wird zum 10. September 2014 um 10 Basispunkte auf 0,05 Prozent gesenkt. Der Zinssatz für die Spitzenrefinanzierungsfazilität wird um 10 Basispunkte auf 0,30 Prozent gesenkt. Der Zinssatz für die Einlagefazilität wird um 10 Basispunkte auf -0,20 Prozent gesenkt.

Ein Wolkenhimmel.

EZB senkt Leitzins auf Rekordtief von fast Null
Frankfurt am Main, 04.09.2014 (ezb) - Auf der Grundlage seiner regelmäßigen wirtschaftlichen und monetären Analyse hat der EZB-Rat heute beschlossen, den Zinssatz für die Hauptrefinanzierungsgeschäfte des Eurosystems um 10 Basispunkte auf 0,05 Prozent und den Zinssatz für die Spitzenrefinanzierungsfazilität um 10 Basispunkte auf 0,30 Prozent zu senken. Der Zinssatz für die Einlagefazilität wurde um 10 Basispunkte auf -0,20 Prozent herabgesetzt. Zudem beschloss der EZB-Rat, mit dem Ankauf von Vermögenswerten des nichtfinanziellen privaten Sektors zu beginnen. Das Eurosystem wird im Rahmen eines Programms zum Ankauf von Asset-Backed Securities (ABSPP) ein breit gefasstes Portfolio an einfachen und transparenten Asset-Backed Securities (ABS) erwerben, bei deren zugrunde liegenden Vermögenswerten es sich um Forderungen an den nichtfinanziellen privaten Sektor des Eurogebiets handelt. Dies trägt der Bedeutung des ABS-Markts, der die Vergabe neuer Kredite an die Wirtschaft erleichtert, Rechnung; die Ankäufe erfolgen, nachdem die diesbezüglichen Vorbereitungen gemäß dem Beschluss des EZB-Rats vom Juni verstärkt worden waren. Parallel dazu wird das Eurosystem auch ein breit gefasstes Portfolio an auf Euro lautenden, von MFIs mit Sitz im Euro-Währungsgebiet begebenen gedeckten Schuldverschreibungen ankaufen. Dies geschieht im Rahmen eines neuen Programms zum Ankauf gedeckter Schuldverschreibungen (CBPP3). Die Interventionen im Zusammenhang mit diesen Programmen werden im Oktober 2014 beginnen. Die genauen Modalitäten der Programme werden nach der Sitzung des EZB-Rats am 2. Oktober 2014 bekannt gegeben. Die neu beschlossenen Maßnahmen werden im Zusammenwirken mit den gezielten längerfristigen Refinanzierungsgeschäften, die in zwei Wochen durchgeführt werden, erhebliche Auswirkungen auf die Bilanz der EZB haben.

Diese Beschlüsse fügen sich in die Reihe geldpolitischer Maßnahmen ein, die in den vergangenen Monaten ergriffen wurden. Sie werden insbesondere unsere Forward Guidance im Hinblick auf die Leitzinsen der EZB stützen und spiegeln die beträchtlichen und zunehmenden Unterschiede im geldpolitischen Zyklus zwischen wichtigen fortgeschrittenen Volkswirtschaften wider. Darüber hinaus werden sie das Funktionieren des geldpolitischen Transmissionsmechanismus weiter verbessern und die Kreditvergabe an die Wirtschaft fördern. In unserer Analyse haben wir den insgesamt gedämpften Inflationsaussichten, der sich in jüngster Vergangenheit abschwächenden Wachstumsdynamik im Euroraum und dem weiterhin verhaltenen Geldmengen- und Kreditwachstum Rechnung getragen. Die Beschlüsse wurden – neben den anderen bereits getroffenen Maßnahmen – mit der Absicht ergriffen, die feste Verankerung der mittel- bis langfristigen Inflationserwartungen zu unter stützen. Dies steht im Einklang mit unserem Ziel, die Preissteigerung unter, aber nahe 2 Prozent zu halten. Da unsere Maßnahmen auf die Wirtschaft durchwirken, werden sie dazu beitragen, dass die Inflationsraten auf ein Niveau zurückkehren, das näher bei 2 Prozent liegt. Sollte es erforderlich werden, den Risiken einer zu lang anhaltenden Phase niedriger Inflation weiter entgegenzuwirken, so vertritt der EZB-Rat einstimmig die Absicht, innerhalb seines Mandats zusätzliche unkonventionelle Instrumente einzusetzen.

Gestatten Sie mir nun, unsere Einschätzung näher zu erläutern und dabei mit der wirtschaftlichen Analyse zu beginnen. Nach einem moderaten Anstieg über vier aufeinanderfolgende Quartale hinweg blieb das reale Bruttoinlandsprodukt (BIP) des Eurogebiets im zweiten Jahresviertel 2014 gegenüber dem Vorquartal unverändert. Auch wenn dieses Ergebnis zum Teil einmaligen Faktoren zuzuschreiben war, fiel es doch schwächer als erwartet aus. Die bis August 2014 verfügbaren Umfragedaten zum dritten Quartal des laufenden Jahres weisen zwar auf eine Verlangsamung der konjunkturellen Entwicklung hin, stehen jedoch weiterhin mit einer moderaten Zunahme der Wirtschaftstätigkeit im Einklang.

Die Binnennachfrage dürfte durch unsere verschiedenen geldpolitischen Maßnahmen, die anhaltenden Verbesserungen der Finanzierungsbedingungen, die Fortschritte bei der Haushaltskonsolidierung und bei den Strukturreformen sowie die niedrigeren, sich auf das real verfügbare Einkommen positiv auswirkenden Energiepreise begünstigt werden. Zudem dürfte die Exportnachfrage von der globalen Erholung profitieren. Gedämpft werden dürfte die Erholung indes weiterhin durch die hohe Arbeitslosigkeit, beträchtliche ungenutzte Kapazitäten, die anhaltend negative Buchkreditvergabe der MFIs an den privaten Sektor und die notwendigen Bilanzanpassungen im öffentlichen wie auch im privaten Sektor. Mit Blick auf die Zukunft müssen die für die Wachstumsperspektiven relevanten Schlüsselfaktoren und -annahmen genau beobachtet werden.

Diese Elemente finden sich in den von Experten der EZB erstellten gesamtwirtschaftlichen Projektionen für das Euro-Währungsgebiet vom September 2014 wieder. Den dort enthaltenen Berechnungen zufolge wird das jährliche reale BIP im Jahr 2014 um 0,9 Prozent, im Jahr 2015 um 1,6 Prozent und im Jahr 2016 um 1,9 Prozent steigen. Gegenüber den von Experten des Eurosystems erstellten gesamtwirtschaftlichen Projektionen vom Juni 2014 wurden die Projektionen für das Wachstum des realen BIP für 2014 und 2015 nach unten und für 2016 nach oben korrigiert.

Nach Auffassung des EZB-Rats sind die Risiken für den Wirtschaftsausblick im Euro-Währungsgebiet abwärtsgerichtet. Vor allem könnten die Abschwächung der konjunkturellen Dynamik die private Investitionstätigkeit dämpfen und die gestiegenen geopolitischen Risiken erneut einen negativen Einfluss auf das Unternehmer- und Verbrauchervertrauen ausüben. Ein weiteres Abwärtsrisiko ergibt sich aus den unzureichenden Strukturr eformen in Ländern des Euroraums.

Die am HVPI gemessene jährliche Teuerungsrate für das Euro-Währungsgebiet belief sich der Vorausschätzung von Eurostat zufolge im August 2014 auf 0,3 Prozent nach 0,4 Prozent im Juli. Diese Entwicklung ist vor allem auf einen niedrigeren Preisauftrieb bei Energie zurückzuführen; die übrigen wichtigsten Komponenten des HVPI blieben insgesamt weitgehend unverändert. Bereits seit Längerem liegen die Teuerungsraten nun auf einem niedrigen Niveau. Wie oben angeführt dienen die heutigen Beschlüsse sowie die anderen bereits getroffenen Maßnahmen dazu, die feste Verankerung der mittel- bis langfristigen Inflationserwartungen zu unterstützen. Dies steht im Einklang mit unserem Ziel, die Preissteigerung unter, aber nahe 2 Prozent zu halten. Auf der Grundlage aktueller Informationen wird damit gerechnet, dass die jährliche am HVPI gemessene Teuerung in den kommenden Monaten weiterhin auf einem niedrigen Niveau liegen und sich im Jahresverlauf 2015 und 2016 allmählich erhöhen wird.

Die Experten der EZB gehen in ihren gesamtwirtschaftlichen Projektionen für das Euro-Währungsgebiet vom September 2014 davon aus, dass die jährliche HVPI-Inflation im Jahr 2014 bei 0,6 Prozent, im Jahr 2015 bei 1,1 Prozent und im Jahr 2016 bei 1,4 Prozent liegen wird. Verglichen mit den von Experten des Eurosystems erstellten gesamtwirtschaftlichen Projektionen vom Juni 2014 wurden die Projektionen der Teuerung für 2014 nach unten korrigiert. Für 2015 und 2016 hingegen blieben sie unverändert.

Der EZB-Rat wird, unter Berücksichtigung der heute beschlossenen Maßnahmen, die Risiken in Bezug auf die Aussichten für die mittelfristige Preisentwicklung weiterhin genau beobachten. In diesem Zusammenhang werden wir unser Augenmerk insbesondere auf die möglichen Auswirkungen der gedämpften Wachstumsdynamik, der geopolitischen Lage, der Wechselkursentwicklungen und der Transmission unserer geldpolitischen Maßnahmen legen.

Was die monetäre Analyse betrifft, so deuten die Daten für Juli 2014 nach wie vor auf eine verhaltene Grunddynamik des Wachstums der weit gefassten Geldmenge (M3) hin; so betrug die Zwölfmonatsrate von M3 im Juli 1,8 Prozent, verglichen mit 1,6 Prozent im Juni. Die jährliche Zuwachsrate des eng gefassten Geldmengenaggregats M1 erhöhte sich im Juli auf 5,6 Prozent gegenüber 5,4 Prozent im Vormonat. Das jährliche M3-Wachstum wurde weiterhin maßgeblich vom Anstieg der Nettoauslandsposition der MFIs getragen, worin sich zum Teil das anhaltende Interesse internationaler Anleger an Vermögenswerten des Euroraums niederschlug.

Die um Kreditverkäufe und -verbriefungen bereinigte jährliche Änderungsrate der Buchkredite an nichtfinanzielle Kapitalgesellschaften blieb im Juli im negativen Bereich und betrug wie schon im Vormonat - 2,2 Prozent. Allerdings kam es zugleich erneut zu beträchtlichen Nettotilgungen. In der Kreditvergabe an nichtfinanzielle Kapitalgesellschaften kommen nach wie vor deren verzögerte Reaktion auf den Konjunkturzyklus, das Kreditrisiko, die Kreditangebotsfaktoren sowie die anhaltenden Bilanzanpassungen im finanziellen und nichtfinanziellen Sektor zum Ausdruck. Die um Kreditverkäufe und -verbriefungen bereinigte Zwölfmonatsrate der Buchkreditvergabe an private Haushalte lag im Juli bei 0,5 Prozent und ist damit seit Anfang 2013 weitgehend unverändert.

Vor dem Hintergrund des schwachen Kreditwachstums stellt die EZB derzeit die umfassende Bewertung der Bankbilanzen, die von zentraler Bedeutung für die Beseitigung der Kreditangebotsbeschränkungen ist, fertig.

Zusammenfassend ist festzuhalten, dass die Gegenprüfung der Ergebnisse der wirtschaftlichen Analyse anhand der Signale aus der monetären Analyse den EZB-Rat dazu veranlasst hat, Maßnahmen zur zusätzlichen Lockerung des akkommodierenden geldpolitischen Kurses und zur Unterstützung der Kreditvergabe an die Realwirtschaft zu beschließen.

Was die Strukturreformen betrifft, so wurden in einigen Mitgliedstaaten bereits wichtige Schritte unternommen. In anderen Ländern hingegen müssen diese Maßnahmen noch durchgeführt bzw. zuvor die entsprechenden rechtlichen Voraussetzungen geschaffen werden. Es ist erforderlich, dass diese Anstrengungen nun intensiviert werden, um ein höheres nachhaltiges Niveau von Wachstum und Beschäftigung im Eurogebiet zu erreichen. Hierzu bedarf es entschlossener Strukturreformen an den Arbeits- und Gütermärkten sowie Maßnahmen zur Verbesserung des Geschäftsumfelds. Was die Finanzpolitik anbelangt, so hat die umfassende Haushaltskonsolidierung der vergangenen Jahre zum Abbau von Haushaltsungleichgewichten beigetragen. Die Länder des Euroraums sollten nicht hinter die bei der Haushaltskonsolidierung erzielten Fortschritte zurückfallen und den Stabilitäts- und Wachstumspakt einhalten. Der Pakt fungiert als Anker des Vertrauens, und die bestehende Flexibilität der Regeln ermöglicht es, die aus größeren Strukturreformen resultierenden Haushaltsbelastungen zu berücksichtigen und die Nachfrage zu stärken. Darüber hinaus bietet sich Spielraum für eine wachstumsfreundlichere Ausgestaltung der finanzpolitischen Maßnahmen. Eine vollständige und einheitliche Umsetzung des bestehenden finanzpolitischen Regelwerks und des Rahmens zur makroökonomischen Überwachung im Euro-Währungsgebiet ist von zentraler Bedeutung, um die hohen öffentlichen Schuldenquoten zu senken, das Potenzialwachstum zu steigern und die Widerstandsfähigkeit des Euroraums gegenüber Schocks zu erhöhen.

Übersetzung: Deutsche Bundesbank